Persönliches

Warum ich es liebe, Kunstmuseen zu besuchen

20. August 2021

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin keine Kunstkennerin und kann auch nicht behaupten, mit einer herausragenden Gabe für Malerei, Musik oder sonst irgendeine Kunstrichtung ausgestattet zu sein.

Ich bin fasziniert von Kreativität.

Für mich bedeutet Kreativität, die Fähigkeit aus Einflüssen, denen wir ausgesetzt sind und aus dem, was andere schon geschaffen haben, etwas Neues, Eigenes und für mich Stimmiges zu gestalten.

Mein beruflicher Alltag erfordert viel Kreativität.

Menschen, die einen Gesprächstermin mit mir vereinbaren, kommen mit einem Problem und einer Erwartung im Gepäck.

  • Sie berichten mir von Situationen in ihrem Leben, in denen sie nicht weiterkommen.
  • Sie stehen vor für sie unüberwindbaren Hindernissen
  • Es ist etwas in ihr Leben eingebrochen, das sie so nicht erwartet haben
  • Manche haben die Orientierung verloren und wissen nicht mehr, wie der Weg weitergeht

 

Die Probleme und Herausforderungen ihres Lebens sind komplex und individuell. Ihre Erwartung ist es, eine Lösung zu finden oder einen neuen Weg zu bahnen (und manchmal müssen wir den erst suchen oder neu anlegen).

Das Material, das uns dabei zur Verfügung steht, findet sich in ihren Geschichten und in ihren Biografien.

Daraus gilt es, Neues zu schaffen, also mit Hilfe der uns innewohnenden Kreativität das Leben zu gestalten, das ihnen entspricht.

Damit ich sie kraftvoll und empathisch auf diesem Weg begleiten kann, brauche ich von Zeit zu Zeit eine Inspirationsquelle.

Hier kommt das Kunstmuseum ins Spiel.

 

Wie ich darauf gekommen bin

Seit ich denken kann, haben mich Menschen fasziniert,

  • die gegen den Strom schwimmen
  • die, ohne auf Krawall gebürstet zu sein, feststehende Strukturen und Regeln in Frage stellen
  • die den Mut haben, ihrem Herzen zu folgen und dafür auch ihre Komfortzone verlassen
  • die eigenverantwortlich ihren Leidenschaften folgen und
  • es aushalten, wenn ihnen von anderen Unverständnis und Kopfschütteln entgegenkommt

 

In dem Umfeld meiner Kindheit gab es keine solche Menschen. Es war eher von einer feststehenden Ordnung geprägt. Eine Ordnung, die mir zwar Sicherheit gab, aber für eine Persönlichkeit wie mich, schnell langweilig wurde.

Es war in Paris, wo ich das erste Mal eine Ahnung davon bekam, dass es auch möglich ist, anders zu leben, als ich es gewohnt war.

Mein Mann und ich haben uns vor mehr als 30 Jahren einen Kurztrip dorthin geschenkt. Damals konnten wir es uns finanziell nicht einmal erlauben, ein Museum zu besuchen und so haben wir Paris zu Fuss erobert und dabei unzähligen Straßenkünstlern unsere Aufmerksamkeit geschenkt. Ihre Hingabe an ihre Kunst und der Mut, den sie hatten, diese einfach auf der Straße zu präsentieren, haben mich erstaunt und begeistert.

Sie haben einen Lebensstil an den Tag gelegt, der ein wohltuender Ausgleich für meine Vorstellung von Lebensgestaltung war und bis heute geblieben ist.

 

Inwieweit ist nun das Kunstmuseum meine Inspirationsquelle

 

Dort ist es still

Manche Lebensgeschichten, die ich im Rahmen meiner Beratungsgespräche höre, lösen Unruhe in mir aus.

Es fühlt sich wie ein kleiner Wirbelsturm in meinem Kopf an. Die Gedanken wirbeln dann durcheinander und ich muss schauen, dass die Erlebnisse anderer Menschen nicht mein Leben bestimmen.

Die Stille eines Kunstmuseums beruhigt diesen Sturm und hilft mir, mich auf anderes zu konzentrieren. Die Aktivität meiner Gedanken reduziert sich, was wiederum Kreativität freisetzt.

Stille erfrischt mich mental. Sie hat die gleiche Wirkung in meinem Kopf, wie das Lüften der Zimmer am Morgen, wenn die frische Luft des beginnenden Tages mich tief einatmen lässt und neue Energie schenkt.

Stille entspannt und gibt mir den Raum, um all meine Gedanken zu ordnen und aufzuräumen.

 

Kunstmuseen wirken anregend

Da hängen sie also die Gemälde großer Künstler. Einige versetzen mich ins Staunen. Ich stelle mir vor, wie der Schöpfer/die Schöpferin ihren Pinsel in die Farbe getaucht hat und mit Hilfe ihrer Hände dieses Werk geschaffen hat.

„Ich male niemals Träume oder Alpträume. Ich male meine eigene Wirklichkeit.“

Frida Kahlo war solch eine große Künstlerin.

Nach einem schweren Unfall war sie zeitlebens körperlich stark eingeschränkt und hatte praktisch durchgehend Schmerzen. Mit Hilfe ihrer Malerei hat sie sich eine Wirklichkeit geschaffen, in der sie leben und lachen konnte.

Auch wir können uns eine Wirklichkeit schaffen, in der wir mit unserer Persönlichkeit gut leben können.

Es sind so simple Materialien und es entsteht etwas Wunderbares.

  • Ein Werk, das vielleicht schon Jahrhunderte überdauert hat
  • Farbe, die lebendig wird, eine Form kriegt und dem Motiv Ausdruck verleiht.
  • Eine Wirklichkeit, in der wir atmen, leben und lieben können

 

Ich gebe zu, dass ich vor so manchem Werk stehe und mich frage, ob das Kunst ist oder hier zur Entsorgung bereit steht. Dann erinnere ich mich, dass ich nicht alles verstehen muss. Ich muss auch nicht alles schön finden.

Es regt mich an, den Sinn in dem, was ich ablehne, zu suchen. Das führt auch im wahren Leben zu erstaunlichen Erkenntnissen.

Manchmal habe ich auch Gedanken wie: „Das hätte ich auch hingekriegt.“

Wenn ich die äußere, erwidert mein Mann meistens: „Ja, aber du hast es nicht gemacht.“

Wie recht er hat! Ich hätte nicht den Mut so etwas auf die Leinwand zu klecksen.

Irgendwann wollte ich es wissen und habe es ausprobiert. Seitdem schaue ich doch respektvoller auf diese Werke. Es gibt himmelweite Unterschiede zwischen meinen Kritzeleien und dem scheinbaren Gekritzel, das eben auch im Museum hängt.

 

Kunstmuseen dienen mir als Fundort für Methoden, die ich anwenden kann

„Der wahre Sinn der Kunst liegt nicht darin, schöne Objekte zu schaffen. Es ist vielmehr eine Methode, um zu verstehen. Ein Weg, die Welt zu durchdringen und den eigenen Platz zu finden.“

Es macht mir Spaß immer wieder neue Anregungen zu bekommen, wie ich Menschen darin unterstützen kann, ihren Platz im Leben zu finden.

Ich wende diese Methoden nicht nur in meinen Gesprächen an, sondern probiere sie auch für mich aus.

So mache ich meine eigenen Erfahrungen und gelange auch für mein Leben zu neuen Erkenntnissen.

Nicht umsonst hat unser Schöpfer uns Hände geschenkt. Wir sollten sie auch benutzen. Manches müssen wir am eigenen Leib erfahren. Unser Gehirn wird da in Gang gesetzt, wo wir unsere Hände gebrauchen. Der Ideenreichtum wird durch der Hände Arbeit ausgelöst. Es ist ein Unterschied, ob wir selber den Ton kneten, den Pinsel halten oder die Tasten auf dem Klavier drücken oder es unseren Computer machen lassen.

 

Kunstmuseen haben immer einen Museumsshop

Ja, ich gehe für mein Leben gerne in Museumshops. Ich liebe es darin herumzustöbern. All die Schönheit der Gemälde auf Tassen, Schals, Regenschirmen oder Postkarten wiederzufinden, begeistert mich. Da werde ich zum Kind. Ich will anfassen, davor stehen und schauen und mich freuen.

Nein, es bleibt in der Regel nicht beim Stöbern. Irgendeine Kleinigkeit kaufe ich meistens.

Eine Tasse mit einem Blumenarrangement, das Vincent van Gogh persönlich gemalt hat. Sie passt überhaupt nicht zu meinem üblichen Geschirr, aber ich freue mich jedes Mal, wenn ich einen Tee aus ihr trinke und sie erinnert mich an das, was ich aus Vincents Leben weiß. Ich denke an seine Kämpfe, psychischen Zusammenbrüche und es beeindruckt mich tief, mir vor Augen zu halten, was er dennoch geschaffen hat.

Meine jüngste Errungenschaft ist ein Roman von Stephanie Cowell über die Liebesbeziehung zwischen Claude Monet und seiner Muse und Lebensliebe Camille.

Wenn ich solche Lebensgeschichten lese und dadurch mehr über die Motivation der Künstler erfahre, in ihre Lebensumstände eintauche, sie durch all die Krisen begleite, die ihr Lebensweg mit sich gebracht hat, wächst meine Ehrfurcht vor den Werken, die sie geschaffen haben.

  • Meine Entschuldigungen, die ich vorbringe, um zu rechtfertigen, warum ich Träume nicht umsetzen kann, werden zur Farce.
  • Niederlagen verlieren an Gewicht.
  • Ich lasse mich nicht mehr von ihnen beeindrucken.
  • Die Motivation, meinen Ideen und Impulsen zu folgen, wächst.
  • Selbstvertrauen wird gestärkt

 

All das kommt dann auch den Gesprächen meiner Ratsuchenden zugute.

Ich bin bereit, meine Ordnungen zu verlassen und mich auf das Fremde, das sie mitbringen einzulassen, ohne es bewerten zu müssen.

Jede Biografie ist aus meiner Sicht ein Kunstwerk, das das Potential in sich trägt, diese Welt reicher zu machen und Menschen zu inspirieren. Die Werke der Künstler, die in den Museen ausgestellt werden, erinnern mich immer wieder neu daran.